Sonnenwende auf dem Feld:
Agri-PV ermöglicht Anbau unter Solaranlagen

Wie wird die Energieversorgung der Zukunft aussehen? Diese Frage beschäftigt seit vielen Jahren nicht nur Forscher und Politiker, sondern auch zunehmend die Landwirtschaft. Ein besonders vielversprechender Ansatz: Solaranlagen, die sowohl Strom produzieren als auch eine effizientere Nahrungsmittelproduktion ermöglichen.

Klassische Photovoltaik-Anlagen werden auf freistehenden Flächen aufgestellt und gelten bislang als wenig attraktiv für Landwirte. Die Anlagen benötigen viel Platz und haben den Nachteil, dass die darunter liegende Fläche landwirtschaftlich kaum mehr benutzt werden kann. Vor dem Hintergrund der Energiewende ergibt es wenig Sinn, wenn wir Strom von unseren Feldern „ernten“ und gleichzeitig Futter für unsere Nutztiere aus Südamerika importieren. Eine Lösung bietet hier das Verfahren von Agri-Photovoltaik, kurz: Agri-PV. Darunter versteht man die gleichzeitige Nutzung von Flächen für die landwirtschaftliche Nahrungsmittelproduktion und die Erzeugung von Solarstrom. In der Höhe wird also Strom gewonnen und darunter werden die Lebensmittel produziert.

Bisher gab es zwei Möglichkeiten der Unterstützung für landwirtschaftliche Betriebe: Entweder erhielten Landwirte Ausgleichzahlungen für Flächen aus EU-Geldern der GAP (Gemeinsame Agrarpolitik) oder sie bekamen eine finanzielle Sicherheit beim Bau von EEG-Anlagen. Letzteres wurde nicht zuletzt durch Ausschreibungen ein immer komplexerer Prozess. Es braucht daher unbedingt einen neuen gesetzlichen Rahmen, der eine Mehrfachnutzung der Photovoltaik-Flächen ermöglicht und durch Förderungen bezuschusst wird.

Die drei grünen Bundesministerien, das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), das Bundesumweltministerium (BMUV) und das Bundesagrarministerium (BMEL), haben kürzlich ein Eckpunktepapier zur Förderung von Agri-Photovoltaik vorgestellt. Zukünftig sollen Solaranlagen über Ackerflächen über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) förderfähig sein. Außerdem wurden weitere Freiflächenkategorien zur Bebauung mit Photovoltaik aufgenommen.

Chancen für Landwirtschaft und Energiewende

Im Ausbau der Agri-Photovoltaik-Anlagen besteht die Chance, dass landwirtschaftliche Betriebe die Energiewende aktiv mitgestalten und trotzdem Ihrer Aufgabe als Nahrungsmittelversorger gerecht werden können. Klaus Müller vom Leibnitz-Zentrum für Agrarlandforschung (ZALF) unterstreicht gegenüber der Agrarzeitung: „Darüber hinaus sehe ich darin eine große Chance für die Landwirtschaft, sich strukturell weiterzuentwickeln. Denn wir müssen uns sowieso vom Wettbewerb um die niedrigsten Produktionskosten hin zu einem Innovationswettbewerb bewegen“. Steigende Betriebskosten und sinkende Lebensmittelpreise führen seit Jahren zu Unmut unter den Landwirten.

Agri-PV bildet somit eine zusätzliche lukrative Einkommensalternative, sowohl im Rahmen einer Verpachtung an Investoren oder als Eigenbetrieb einer PV-Anlage. Den gewonnenen Strom aus einer Photovoltaikanlage kann der Betrieb nicht zuletzt als „Eigenstrom“ für den Produktionsbetrieb nutzen. Das Landgut der Familie Claaß in XXX beispielsweise soll bis 2024 komplett energieautark aufgestellt werden. Das bedeutet: Bis Ende 2024 deckt sich der Strombedarf zu 100% aus dem Eigenstrom der Solar-Anlagen und dem zusätzlichem Energiespeicher. Zukünftig können viele landwirtschaftliche Betriebe von diesem Konzept profitieren und sich damit unabhängig von steigenden Energiepreisen machen.

Neue Kriterien für den Ausbau der Photovoltaik auf Freiflächen

Die grünen Resorts haben sich darauf verständigt, das Agri-PV auf allen Ackerflächen grundsätzlich zulässig ist und mit Fördermitteln der GAP unterstützt wird, insofern die landwirtschaftliche Nutzung nur bis zu 15% durch die Stromerzeugung beeinträchtigt ist. Im April 2022 können sich Landwirte erstmals für eine Förderung bewerben.

Zudem können aufgrund neuer EU-Kriterien zukünftig 9 Prozent zusätzliche Flächen in benachteiligten Gebieten für PV-Anlagen genutzt werden. Laut der gemeinsamen Pressemitteilung der drei Bundesministerien gehören dazu „Berggebiete und Gebiete, in welchen die Aufgabe der Landnutzung droht und der ländliche Lebensraum erhalten werden muss. Auf diesen Flächen können PV-Freiflächenanlagen errichtet werden, wenn die Bundesländer diese Flächen – wie bislang – dafür freigeben.“

Eine weitere Flächenkategorie, die im EEG aufgenommen wurde, bildet der landwirtschaftlich genutzte Moorboden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima gibt diese Fläche nur unter der Voraussetzung frei, dass bisher entwässerte Moorböden eine Moorrestaurierung (Wiedervernässung) erfahren. Eine Wiedervernässung hat zudem den Vorteil, dass neben Wasser klimaschädliches Methangas und bis zu 30 Prozent der gesamten Kohlenstoffvorräte gespeichert werden. Da Moorflächen nicht weiter aktiv genutzt werden, würden diese wiederum durch eine PV-Anlage eine Wertsteigerung erfahren.

Zusätzlich sollen Naturschutz-Kriterien auf lokaler Ebene vorgeschrieben werden können. In den Verträgen zur finanziellen Beteiligung dürfen Kommunen dem Anlagenbetreiber vorgeben, mit welchen naturschutzfachlichen Anforderungen der Bau einer Anlage verknüpft sein soll.

Ein weiterer Bestandteil der EEG-Reform: die Verringerung der Tierzahlen insbesondere in den Intensivhaltungsregionen. Die Vergangenheit zeigt, dass die Veredlungswirtschaft politisch fehlgeleitet wurde. Unsere Wirtschaft ist sehr stark exportorientiert ausgelegt und wir produzieren über unseren Selbstversorgergrad hinaus. Am Ende müssen wir uns die Frage stellen: Ist es richtig gewesen so stark in der Veredlung zu wachsen? Denn damit wurden Umweltprobleme einkauft – Stichwort: Nitratbelastung. Ein Umbau der Tierhaltung ist dadurch zwingend erforderlich, damit die Landwirtschaft wieder einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.

Nicht alles Gold, was glänzt – Schattenseiten von Agri-PV

Bei all den Möglichkeiten und positiven Bewertungen von Agri-Photovoltaik stellt sich letztendlich die Frage: Welche Herausforderungen bringen die Solaranlagen über Agrarflächen mit sich? Wie alle Innovationen hat auch Agri-PV mit Akzeptanz zu kämpfen.

Vermehrt äußern sich kritische Stimmen, die vor einer „Verspiegelung“ der Landschaft warnen. Solarstrom ist möglicherweise die umweltfreundlichste Energie, aber auch deren Gewinnung kann nicht ohne den Eingriff in das Ökosystem passieren. Es ist daher zwingend notwendig, dass die Solar-Offensive von Fachleuten begleitet werden muss. Ansonsten wiederholen wir die Fehler der Veredlungs-Offensive aus den 80ern.

Anhand der Anfragen zeigt sich dennoch: Die Mehrheit der Landwirte begrüßt Agri-PV. Um die Chancen von Photovoltaik vollumfänglich ausschöpfen zu können, muss die Speichertechnologie weiter ausgebaut werden. Denn der größte Gegner von Solarstrom ist die Nacht – bei Dunkelheit wird kein Strom produziert. Energiespeichern kommt somit eine entscheidende Rolle bei der Solar-Offensive zu.

Zukünftig ist sogar eine Vierfach-Nutzung der Agri-PV vorstellbar: Die Module könnten Regenwasser auffangen und in einer Zisterne sammeln. Bei längerer Trockenheit könnte das gesammelte Regenwasser zur Bewässerung der Kulturpflanzen genutzt werden. Um die Pflanzen vor zu intensiven Sonnenstrahlen zu schützen, wäre zudem ein Sonnensegel über der Anbaukultur möglich.

Für Landwirte ist die Erzeugung von Strom bisher deutlich lukrativer als die Nahrungsmittelerzeugung. Daher braucht es unbedingt einen modernen gesetzlichen Rahmen, der eine Mehrfachnutzung der Photovoltaik-Flächen ermöglicht und damit zu mehr Klimaschutz, besserer Flächennutzung und einer faireren Kompensation der Landwirte beiträgt.