Anbau in Reih und Glied: Mit Controlled Row Farming zu mehr Diversität auf den Feldern

Eine Million – so viele Tier- und Pflanzenarten sind nach einem 2019 von der UN veröffentlichten Bericht zufolge vom Aussterben bedroht. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Rückgang der biologischen Vielfalt dramatisch beschleunigt. In der europäischen Pflanzenwelt steigt zwar die Anzahl der Arten, da immer neue Sorten einwandern, sie kämpft jedoch mit dem Verlust ihrer Einzigartigkeit. Die Verwandtschaftsverhältnisse der Pflanzen werden sich immer ähnlicher. Bedenklich ist diese Entwicklung, da Pflanzen so ihre Widerstandsfähigkeit Schädlingen gegenüber nach und nach einbüßen. Hier werden die Grenzen der konventionellen Landwirtschaft sichtbar.

Lässt sich die Biodiversität bei gleichem Ertrag steigern?

Feldversuche Wambergen Stefan Kiefer AmazoneDie Kombination von agronomischen und technischen Innovationen wird ein wichtiger Teil der Lösung sein. Dessen ist sich auch Stefan Kiefer bewusst. Der ausgebildete Agrarwissenschaftler ist bei dem Hersteller für Landtechnik Amazone verantwortlich für den Bereich Pflanzenbauinnovation. In seiner Position beschäftigt er sich mit der Frage, welche Produkte und Verfahren notwendig sind, um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden. Um einen Beitrag zur Diskussion über künftige Herausforderungen der Landwirtschaft zu leisten, entwickelte er in Kooperation mit Schmotzer und Agravis das Konzept des „Controlled Row Farming“ (CRF). Dabei handelt es sich um einen reihenbezogenen Ackerbau unter effizienten Einsatz der Betriebsmittel. Dieses Ackerbausystem bietet die Möglichkeit, die Biodiversität zu steigern, ohne dass sich die Erträge verringern.

Anbau auf 50er Reichweite

Getreide mit Begleitpflanzen im CRF System: Doppelreihe mit 50 cm Abstand
Getreide mit Begleitpflanzen im CRF System: Doppelreihe mit 50 cm Abstand

Doch wie funktioniert CRF genau? Angelehnt ist das Konzept an das „Controlled Traffic Farming“. Bei diesem Ackerbaukonzept werden mittels modernster Technik immer dieselben Fahrspuren verwendet. Anders sieht es bei dem CRF aus: Hier orientieret sich der Landwirt ausdrücklich nicht an den Fahrspuren, sondern an der Pflanzenreihe: „Die Besonderheit des Controlled Row Farmings liegt darin, dass sich die Strukturen auf dem Feld an einer festen Reichweite orientieren. Alle Reihen sind genau 50 Zentimeter voneinander entfernt“, erläutert Kiefer. Beispielsweise kann so Getreide in einer Doppelreihe angebaut werden und dazwischen auf dem 50 cm Streifen wachsen Begleitpflanzen wie die Sommerackerbohne.

Der Vorteil? „Wenn die Pflanzen auf dem Feld immer in einer Reihe angeordnet sind, kann Pflanzenschutz- und Düngemittel viel gezielter verteilt werden. Das Feld muss nicht mehr flächig gestreut oder gespritzt werden.“ Die verwendete Hacktechnik bietet nicht nur mehr Flexibilität, auch mechanischen Unkrautbekämpfung geht schneller von statten. Dieser Ackerbau in Reihen erlaubt es außerdem, zwischen den Kulturen, die später abgeerntet werden, Blühstreifen anzulegen. Diese werden üblicherweise nur an den Feldrändern ausgesät. „So besteht die Möglichkeit, die Biodiversität zu steigern und viel mehr Leben ins Feld zu bringen“, sagt Kiefer. „Die Wildpflanzen sind ein Angebot für Insekten.“

Die Frage nach der Wirtschaftlichkeit

Kostenstruktur Pflanzenschutz Zuckerrübe (€/ha)
Kostenstruktur Pflanzenschutz Zuckerrübe (€/ha)

Mit Unterstützung einer studentischen Arbeitsgruppe der Hochschule Osnabrück wurden die Kosten für eine übliche Flächenbewirtschaftung verglichen mit einer Bewirtschaftung durch das CRF-System. Das Ergebnis der Modellrechnung: „Die Kosten bei einem fiktiven 300 Hektar Betrieb sind am Ende bei beiden Anbaukonzepten gleich“, bekräftigt Kiefer der vor seiner Zeit bei Amazone als Spezialist für Pflanzenschutztechnik bei John Deere gearbeitet hat. Die Anschaffungskosten für neue Maschinen und der größere Zeitaufwand bei CRF werden durch die Einsparungen bei Pflanzenschutz- und Düngemitteln ausgeglichen. Immerhin müssen aufgrund des Anbaus in Reihen nur noch 30 bis 40 Prozent der Fläche gespritzt werden.

„Zeit ist ein wertvolles Gut und Arbeitskräfte zu finden wird schwieriger. Zukünftig könnten monotone Arbeitsvorgänge auf dem Feld von Agrarrobotern erledigt werden.“ – Stefan Kiefer

Seit drei Jahren wird das Konzept getestet – mit Erfolg

Ernte auf Gut WambergenSeit drei Jahren wird CRF auf einer knapp 10 Hektar großen Fläche in Wambergen getestet. Die Ergebnisse sind vielversprechend. Kiefer betont jedoch, dass Controlled Row Farming, so wie er und sein Team es erproben, eine Idealvorstellung ist. „Es ist auch möglich, Teile aus dem Konzept herauszuschneiden. Das würde dann so aussehen, dass ein Betrieb Mais, Zuckerrüben und Raps nach dem CRF anbaut, der Weizen aber weiterhin flächig ausgesät wird.“ Einige Betriebe gäbe es bereits, die sich so Schritt für Schritt in Richtung CRF bewegen würden. Einige Herausforderungen müssen jedoch noch überwunden werden. „Die größte Hürde, der wir gegenüberstehen, ist das Unwissen um die Begleitpflanzen. Also die Information, welche Pflanzen auf dem Blühstreifen gesät werden sollen. Für viele Kulturen ist es schlicht und ergreifend nicht vorhanden“, gibt Kiefer zu bedenken. Das liegt daran, dass jahrelang alles in einer Monokultur angebaut wurde und auf den meisten Feldern noch immer wird. Das Fazit lautet dennoch: Die autonome Bewirtschaftung könnte in Zukunft die Vielfalt auf unsere Äcker zurückbringen.